Autofreiheit

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Ich fahre öffentlich.

Seit über 20 Jahren lebe ich ohne eigenes Auto. In einer Stadt wie München ist das kein Problem.

Mobil bin ich trotzdem und komme immer von A nach B, ob Wocheneinkauf, Ausflug ins Grüne, Besuche, Urlaubsreisen oder täglicher Weg zur Arbeit. Die Umstellung auf ein Leben ohne privaten PKW war natürlich nicht ganz ohne Weh. Ach, die Bequemlichkeit! Aber am Anfang steht immer die Entscheidung und dann ist man oft überrascht, was geht.

Heute kann ich sagen, dass ich das eigene Auto nicht vermisse.

Foto: cnd.muenchen-p.de

Während PKW-Fahrende auf Parkplatzsuche oder im Stau ihre Zeit verbringen, konzentriert, teils gestresst ihre volle Aufmerksamkeit auf den Verkehr richten müssen, kann ich mich in Zug, Bus, Straßen-, U- oder S-Bahn zurücklehnen und die Zeit für mich nutzen. Ich sehe aus dem Fenster, beobachte Menschen, stricke, lese, schreibe, sehe Filme oder arbeite etwas am Laptop, halte ein Nickerchen, lerne fremde Menschen kennen oder hänge einfach meinen Gedanken nach. Ich genieße, mich um nichts kümmern zu müssen und mich einfach kutschieren zu lassen, und ich muss mich lediglich darum kümmern, das Aussteigen nicht zu vergessen.

Zugegeben, manches Verhalten von Mitreisenden, Verspätungen, Fahrtausfälle, verpasste Anschlüsse und dann Warten im Regen, in eisiger Kälte auf einem Bahnhof oder an einer Bushaltestelle – so etwas kann auch mal ziemlich nerven; aber wer kann schon sagen, dass beim Autofahren immer alles glatt geht und das eine oder andere nicht auch nervt?

Über die Jahre habe ich mich ausgerüstet: Für Regentage habe ich in hochwertige wasserdichte Schuhe, Hosen und Jacken investiert, die ich auch auf dem Fahrrad trage, für ganz kalte Tage gibt es Wärmesohlen in die Schuhe, für den Transport von schwerem Gepäck und Einkäufen ergonomische, auf meinen Rücken passende Rucksäcke, Rollkoffer, Einkaufstrolleys und auf Urlaubsreisen lässt sich der Koffer ganz einfach vorausschicken.

Wenn ich stattdessen für meine Bequemlichkeit einen Kleinwagen angeschafft hätte und unterhalten müsste, wären die Investitionen etwas höher ausgefallen…

Für die wenigen Male im Jahr, wenn ich WIRKLICH ein Auto brauche, gibt es eine Vielzahl Carsharing-Angebote, Mietwagenfirmen und Taxiunternehmen.

Foto: munich-startup.de

Zahlen, Daten, Fakten

  • Der Verkehrssektor erzeugt rund 20% der CO2 Emissionen in Deutschland, sein Anteil ist in den letzten Jahren gestiegen.
  • Bis zum Jahr 2030 müssen die Treibhausgas-Emissionen aus dem Verkehrssektor in jedem Jahr um 7 Mio Tonnen gesenkt werden (Klimaschutzgesetz); tatsächlich sinken sie nur um 0,5 Mio Tonnen, stiegen 2021 sogar wieder an.
  • Busse und Bahnen sparen pro Jahr über 10 Mio Tonnen CO2 ein.
  • Der Fernverkehr der DB wird zu 100% mit Ökostrom betrieben.
  • Immer mehr Fahrzeuge im ÖPNV fahren mit Ökostrom.
  • Ein durchschnittlicher PKW verursacht pro Personenkilometer 147 Gramm Treibhausgase, ein Linienbus 80 Gramm, Straßen-, Stadt-, und U-Bahnen 58 Gramm und der öffentliche Fernverkehr 30-40 Gramm.
  • 96% der Zeit parkt ein PKW, nur 1 Stunde am Tag wird er durchschnittlich genutzt.
  • Ein fahrendes Auto ist mit durchschnittlich 1,4 Personen besetzt.
  • Mehr als 40% der Autofahrten sind Strecken unter 5 km.
  • Einsparungspotenzial an einem Beispiel: Ein Jahr lang zur Arbeit: 25 km Strecke an 220 Tagen mit S-Bahn und zu Fuß statt mit PKW spart rund 3.700 EUR und rund 320 Kg CO2.
  • Alle anfallenden Kosten wie Versicherung, Betrieb, Wartung, Steuern und Wertverlust berücksichtigend, kostet ein Auto der Golfklasse im Monat bis zu 500 Euro bei 15.000 km Fahrstrecke pro Jahr. Dagegen kostet ein Jahresticket der MVG im Münchner Stadtgebiet rund 50 EUR pro Monat und das kommende Deutschlandticket 49 EUR deutschlandweit.
Foto: img.welt.de

Tipps

  • Billiger fahren mit Dauerkarten: Das Deutschlandticket kommt und macht den Einstieg in die Öffentlichen noch leichter.
  • Einfach mal einsteigen – Fahren Sie doch mal mit einer Linie Ihrer Wahl bis zur Endhaltestelle und lassen Sie sich überraschen, wo Sie ankommen – oder steigen Sie aus, wo es Ihnen gefällt.
  • „Geheime“ Orte entdecken – Ausflugsziele in und um München, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind:

https://www.mvv-muenchen.de/freizeit/geheimatorte/index.html

Anregungen

  • 7 Wochen öffentlich – den eigenen PKW über einen bestimmten Zeitraum komplett stehen lassen und mit dem Angebot des ÖPV, Fahrrad und Carsharing Erfahrungen sammeln.
  • Auch in Ihrem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es sicher Familien mit Kindern, Paare, Singles, die auf einen eigenen PKW komplett verzichten. Fragen Sie doch mal nach deren Erfahrungen und tauschen Sie sich aus.

„Wo kämen wir hin, wenn alle sagten,

wo kämen wir hin, und niemand ginge,

um zu schauen, wohin wir kämen,

wenn wir gingen.“

Kurt Marti

Foto: pixabay.com

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